Leinwandbild 'Engel'

Uuups, gerade ist die Mama mit ihrem Kind zum ersten Tag in die Kita gekommen, hat kurz gefragt, wann sie am Nachmittag wieder da sein soll – und schwupps, nun ist sie schon wieder weg. Die kleine Dreijährige kümmert das nicht weiter, sie marschiert schnurstracks in den Waschraum, den sie gerade entdeckt hat, und beginnt mit Wasser und den Zahnputzbechern der anderen Kinder zu spielen…

Ein anderer Vater freut sich während der ersten Tage in der Kita sehr, die neue Umgebung gemeinsam mit seiner Tochter zu entdecken. Er ist sehr aktiv, ermuntert seine Kleine, plaudert mit den anderen Kindern oder liest ihnen etwas vor. Er baut die BRIO-Bahn mit auf oder hilft beim Aufräumen – und er will gar nicht mehr gehen…

So viele Fragen

Die Zeit der „Eingewöhnung“, ein neues Abenteuer, ein neuer Lebensabschnitt beginnt; mit vielen Unsicherheiten. Und mit vielen zu treffenden Entscheidungen: Wann kommt die erste Trennung? Wie verabschiede ich mich? Geht es meinem Kind hier gut? Wann komme ich wieder? Was tun, wenn mein Kind beim Abschied weint?

Worum geht es denn bei der Eingewöhnung? Lexika beschreiben „Gewöhnung“ als Abstumpfung der Reaktion auf wiederholte (unangenehme) Reize bzw. als „in der Regel relativ automatisierte Verhaltensweise, ähnlich dem bedingten Reflex.“ (Quelle: www.gesundheit.de/…/gewoehnung-1). Eine solche Dressur und Desensibilisierung widerspricht grundlegend den Bedürfnissen von Kindern und Eltern nach persönlichem Wachstum, und passt auch nicht zum Auftrag der Professionellen, Familien zu unterstützen.

Warum heißt es eigentlich Kindertagesbetreuung?

Auch historisch gilt es, einigen Ballast abzuschütteln. Schon die ersten „Kleinkinderbewahranstalten“ (Quelle: wikipedia.org/wiki/Kindergarten) entstanden in Deutschland Anfang des 19. Jahrhunderts aus der Not verwahrloster Kinder, deren Mütter infolge der Industrialisierung  in den Städten zunehmend berufstätig wurden und ihre Kinder nicht mehr versorgen konnten.

Diese Grundfunktion als Familienersatz blieb der Kinderbetreuung lange erhalten. Auch durch die beiden Weltkriege wuchs die Zahl der Plätze für öffentliche Betreuung von 13% im Jahr 1910 auf 31% im Jahr 1941. Passend zum Anteil berufstätiger Frauen standen noch 1971 in großen westdeutschen Städten nur für etwa 30 bis 50% der Kinder ein Betreuungsplatz zur Verfügung – Ausnahmen bestätigen die Regel: Hamburg nur 23,4%, Stuttgart mit Autoindustrie 72,2%.

Wir sind ein gutes Team auf einem guten Weg

Damit in Tagespflegen, Kindergärten und Kindertagesstätten mehr Spielraum für Entfaltung für alle Beteiligten entstehen kann, braucht es neben gut ausgebildeten, persönlich reifen und reflektierten Fachkräften vor allem einen klar bedürfnisorientierten Ansatz in der Zusammenarbeit zwischen Professionellen, Eltern und Kindern.

Damit Erziehungspartnerschaft gelebt werden kann, braucht es Zeit und Raum für offene, ehrliche Gespräche. Ankommen in einer neuen Umgebung und Aufbau von Vertrauen zu fremden Erwachsenen brauchen Zeit und persönlichen, annehmenden, respektvollen Austausch.

„Wir sind ein gutes Team auf einem guten Weg. Und jede/r im Team bekommt, was es braucht, um gut in dieser Kita sein zu können.“

Dieses Gefühl kann nicht vorgetäuscht werden. Kinder sind, was Gefühle und Stimmigkeit angeht, die besten Seismographen. Sie spüren Unstimmigkeiten sensibel auf und zeigen mit ihrem Verhalten, ob wir uns auf einem guten Weg befinden. Wenn es dann an die konkreten Fragen und Entscheidungen geht, können Leitfragen für Eltern sein: Kann ich offen sagen, was ich denke? Fühle ich mich ausreichend gesehen? Wird meine Meinung berücksichtigt?

Ein wichtiger Schritt nach vorn

Einen wirklichen Schritt nach vorn macht das aus meiner Sicht bisher viel zu wenig beachtete „Münchner Eingewöhnungsmodell“ (Quelle: www.kita-fachtexte.de/…/KiTaFT_winner_2015.pdf). Hier wird erstmalig neben den Erwachsenen auch das Kind als aktiv beteiligtes soziales Wesen mit Kompetenzen und Mitgestaltungsmöglichkeiten im Eingewöhnungsprozess gesehen.

Und es wird dem gegenseitigen Kennenlernen im Alltag der Kita ein angemessener Stellenwert eingeräumt. Hierin sehe ich eine große Chance, Eltern in der Kita als unterstützende Partner und nicht als Störfaktoren wahrzunehmen. Das Konzept ist eine wunderbare „Inspirationsquelle, aus der Fachkräfte schöpfen und ihr eigenes Handlungskonzept entwickeln können“.

Mein Fazit:
Besonders in Institutionen der Kindererziehung treffen persönlicher und historischer Ballast, moderne Forschungsergebnisse, neuartige Konzepte und aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen zusammen. Beim Übergang von der Familie zur Kita stehen Eltern im Schnittpunkt der Konflikte und spüren sie als persönliche Herausforderung.

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